Dienstag, 21. April 2009

Im Osten nichts Neues mehr

Tja, das mit dem Job in Wittenberg hat leider nicht hingehauen. Deshalb endet die Story hier. Habe jetzt eine neue Stelle in München, und ein Blog "Ein Ossi im Westen" hat ja wohl kaum Neuigkeitswert. Ach ja: Meine ehemalige Wohnung in Heilbronn wird jetzt ebenfalls von einem Ossi (das Wort hat für mich jetzt eher etwas Positives) bewohnt.

Dienstag, 3. März 2009

Tag 34: 3.3.2009, Blühende Landschaften

Ich glaube, der schlimmste Fehler, der bei der Wiedervereingung gemacht worden ist, war nicht die Wiedervereinigung selbst (wie ich von manchen Ossis wie Wessis gleichermaßen gehört habe), sondern das lauthals propagierte Leitbild der "Blühenden Landschaften". Die Kommunen im Osten haben - beseelt von dem Glauben, dass sie wachsen werden - völlig überdimensionierte Infrastrukturen aufgebaut. Diese verursachen heute riesige Kapitalkosten, die auf eine stark geschrumpfte und weiter schrumpfende Bevölkerung umgelegt werden müssen. Und weiteres Geld muss dafür aufgebracht werden, die unterforderten Wasser- und Abwassersysteme am Laufen zu halten. "Von den Planern, die sich in den 90ern eine goldene Nase verdient haben, hört man heute nichts mehr", sagte mir ein Kommunalpolitiker.

Mittwoch, 18. Februar 2009

Tag 21: 18.2.2009, 50 fehlende Jahre

Habe mich heute mit dem Bürgermeister einer Stadt im Landkreis Wittenberg unterhalten. Die Stadt hatte zu Wendezeiten etwa 10.000 Einwohner, heute sind es 7.000. Laut Prognosen soll der Schrumpfprozess erst bei etwa 6.000 Einwohnern aufhören. "Die jungen Leute gehen ausschließlich wegen fehlender Arbeitsplätze weg", sagt der Schultes. Das kann ich nachvollziehen - außer Arbeit bietet die Stadt nämlich alles, was man zum Leben braucht.

Die Arbeitgeber zu DDR-Zeiten - Braunkohletagebau und -kraftwerke, chemische Industrie - sind ersatzlos gestrichen. Neue Betriebe hätten nicht mit zu wenigen Aufträgen zu kämpfen, sondern oft mit schlechter Zahlungsmoral und Schwierigkeiten, Kredite zu bekommen.

Die Arbeitslosenstatistik wird dadurch "gerettet", dass die Leute im arbeits(losigkeits)fähigen Alter weggehen. Viele Rentner kämen aber ganz gut über die Runden, da in der DDR meist beide Ehepartner gearbeitet haben und nun Rente beziehen.

Mir kam die Frage, was - von den Voraussetzungen her - hier eigentlich so viel anders ist als z.B. im Hohenlohekreis in Baden-Württemberg, wo ich aufgewachsen bin. Die Gegend dort war nach dem Krieg landwirtschaftlich geprägt und ohne nennenswerte Industrie (wie hier). In jeder Kommune dort ist aber mindestens ein Betrieb von der Ein-Mann-Firma zu einem mehr oder weniger großen Arbeitgeber herangewachsen. Manche davon sind wieder weg vom Fenster, andere sind heute weltweit tätig, wenn nicht Weltmarktführer (siehe etwa Würth).

"Die 50 Jahre nach dem Krieg fehlen bei uns halt", sagt der Bürgermeister.

Sonntag, 15. Februar 2009

Tag 18: 15.2.2009, Wie die Zeit vergeht

Bin jetzt offiziell gemeldeter Wittenberger!

Das Spannendste hier ist eigentlich immer die Mittagspause. War am Freitag beim Asiaten-Imbiss mit zwei Vietnamesen hinterm Tresen, die generisches Asia-Essen *und* Döner im Angebot haben. Das ganze in 'nem schönen Jugendstil-Restaurant. Essen war okay, dafür riecht meine Jack jetzt noch nach Bratfett.

Heute beim Spazierengehen und anschließender Überlandfahrt durch die Dübener Heide habe ich zum ersten Mal im Osten ein Neubaugebiet (in Bad Schmiedeberg) gesehen, wie es sie in der Heilbronner Gegend in jedem Dorf gibt. Außerdem konnte ich mich von der Existenz eines speziellen Ost-Phänomens überzeugen: Die vom Land oder Bund unterhaltenen Straßen sind prima (besser als in der Heilbronner Gegend!), an den Ortsschildern ist aber schnell Schluss mit der Pracht, wildes Gehoppel über DDR-Betonplatten geht los. Das liegt wohl daran, dass die Kommunen die Kosten für den Straßenbau auf die Anlieger umlegen müssen, diese haben aber keine Kohle, da viele immer noch Schulden aus der Wendezeit für neue Dächer und Fenster abzahlen. So hat mir eine Mitarbeiterin der Stadt berichtet.

Das Schlimmste für die Generation 50+ hier sei, dass deren gesamtes Lebenswerk zu DDR-Zeiten überhaupt keine Anerkennung findet - obwohl damals auch jeder im Rahmen seiner Möglichkeiten das beste geleistet habe. Das erklärt einiges von der resignierten Grundhaltung, die speziell bei Älteren zu finden ist.

Anderes Gespräch mit einer alten Frau, die 1945 aus Schlesien geflohen ist und seitdem hier in der selben Wohnung lebt. Ihre Kinder sind in Bayern, "ich will ja niemand zur Last fallen". Obwohl ihr Alltag nicht gerade sehr stressig sein kann, findet sie, dass die Zeit nur so dahin rase. Mag sein, dass die Wochen schnell rum gehen, aber in der Rückschau komme ich mir vor, als wäre ich schon eine Ewigkeit hier.

Dienstag, 10. Februar 2009

Tag 13: 10.2.2009, Der Wegzug

Hatte (beruflich, nicht privat!) mit einer Standesbeamtin zu tun. Zu DDR-Zeiten wurden auf dem Standesamt in Wittenberg jährlich 500-600 Ehen geschlossen. Jetzt schwankt die Zahl um die 250, wobei darunter noch einige von auswärts sind (auch Ex-Wittenberger, die bloß zur Hochzeit zurückkehren). "Ja, so macht sich der Wegzug der jungen Leute bemerkbar", sagte sie in schönem Beamtendeutsch.

Tag 13: 10.2.2009, Die schönen Seiten

Wirklich eine sehr nette Ecke ist Wörlitz mit dem Park drumherum. Die Landschaft erinnert mich total an England, der Park kann es durchaus mit der angelsächsischen Konkurrenz aufnehmen. War am Wochenende natürlich wenig los bei dem Mistwetter. Auch in der Stadt ist total tote Hose: Auf dem Arbeitsweg morgens und abends kann ich in vier von fünf Fällen ohne anzuhalten über Hautpverkehrsstraßen latschen, durch die leeren Gassen pfeift der Wind. Auch sämtliche Veranstaltungskalender etc. geben nichts her. Für den Journalisten natürlich Saure-Gurken-Zeit. Aber im Sommer soll dafür hier ja um so mehr los sein.

Samstag, 7. Februar 2009

Tag 9: 7.2.2009, Vor der Wende war alles besser...

Am Donnerstag war ein Politiker in der Redaktion zu Besuch. Er zitierte eine Umfrage, nach der mehr als 50 Prozent der Menschen in den neuen Bundesländern sagen, vor der Wende sei es Ihnen besser gegangen.

Jetzt macht aber mal eine Umfrage unter Westdeutschen, ob es ihnen heute besser geht als vor 20 Jahren. Ich wette, das Ergebnis wäre ähnlich: Früher war alles besser! Zumal die Reallöhne in Ost und West seit Jahren sinken.

Da Glück immer eine relative Sache ist, werde ich allen jammernden Ossis künftig entgegnen: Freut euch, die Wessis sind auch am Jammern.

Tag 9: 7.2.2009, Einöde

Wer die totale Einöde erleben will, der fahre an einem trüben Februartag über die Landstraßen zwischen Delitzsch und Leipzig. Endlose, topfebene Äcker, die irgendwann im Nebel verschwinden. Respekt vor den Leuten, die dort auf dem Land wohnen und sich im Winter nicht die Kugel geben.