Habe mich heute mit dem Bürgermeister einer Stadt im Landkreis Wittenberg unterhalten. Die Stadt hatte zu Wendezeiten etwa 10.000 Einwohner, heute sind es 7.000. Laut Prognosen soll der Schrumpfprozess erst bei etwa 6.000 Einwohnern aufhören. "Die jungen Leute gehen ausschließlich wegen fehlender Arbeitsplätze weg", sagt der Schultes. Das kann ich nachvollziehen - außer Arbeit bietet die Stadt nämlich alles, was man zum Leben braucht.
Die Arbeitgeber zu DDR-Zeiten - Braunkohletagebau und -kraftwerke, chemische Industrie - sind ersatzlos gestrichen. Neue Betriebe hätten nicht mit zu wenigen Aufträgen zu kämpfen, sondern oft mit schlechter Zahlungsmoral und Schwierigkeiten, Kredite zu bekommen.
Die Arbeitslosenstatistik wird dadurch "gerettet", dass die Leute im arbeits(losigkeits)fähigen Alter weggehen. Viele Rentner kämen aber ganz gut über die Runden, da in der DDR meist beide Ehepartner gearbeitet haben und nun Rente beziehen.
Mir kam die Frage, was - von den Voraussetzungen her - hier eigentlich so viel anders ist als z.B. im Hohenlohekreis in Baden-Württemberg, wo ich aufgewachsen bin. Die Gegend dort war nach dem Krieg landwirtschaftlich geprägt und ohne nennenswerte Industrie (wie hier). In jeder Kommune dort ist aber mindestens ein Betrieb von der Ein-Mann-Firma zu einem mehr oder weniger großen Arbeitgeber herangewachsen. Manche davon sind wieder weg vom Fenster, andere sind heute weltweit tätig, wenn nicht Weltmarktführer (siehe etwa Würth).
"Die 50 Jahre nach dem Krieg fehlen bei uns halt", sagt der Bürgermeister.
Mittwoch, 18. Februar 2009
Sonntag, 15. Februar 2009
Tag 18: 15.2.2009, Wie die Zeit vergeht
Bin jetzt offiziell gemeldeter Wittenberger!
Das Spannendste hier ist eigentlich immer die Mittagspause. War am Freitag beim Asiaten-Imbiss mit zwei Vietnamesen hinterm Tresen, die generisches Asia-Essen *und* Döner im Angebot haben. Das ganze in 'nem schönen Jugendstil-Restaurant. Essen war okay, dafür riecht meine Jack jetzt noch nach Bratfett.
Heute beim Spazierengehen und anschließender Überlandfahrt durch die Dübener Heide habe ich zum ersten Mal im Osten ein Neubaugebiet (in Bad Schmiedeberg) gesehen, wie es sie in der Heilbronner Gegend in jedem Dorf gibt. Außerdem konnte ich mich von der Existenz eines speziellen Ost-Phänomens überzeugen: Die vom Land oder Bund unterhaltenen Straßen sind prima (besser als in der Heilbronner Gegend!), an den Ortsschildern ist aber schnell Schluss mit der Pracht, wildes Gehoppel über DDR-Betonplatten geht los. Das liegt wohl daran, dass die Kommunen die Kosten für den Straßenbau auf die Anlieger umlegen müssen, diese haben aber keine Kohle, da viele immer noch Schulden aus der Wendezeit für neue Dächer und Fenster abzahlen. So hat mir eine Mitarbeiterin der Stadt berichtet.
Das Schlimmste für die Generation 50+ hier sei, dass deren gesamtes Lebenswerk zu DDR-Zeiten überhaupt keine Anerkennung findet - obwohl damals auch jeder im Rahmen seiner Möglichkeiten das beste geleistet habe. Das erklärt einiges von der resignierten Grundhaltung, die speziell bei Älteren zu finden ist.
Anderes Gespräch mit einer alten Frau, die 1945 aus Schlesien geflohen ist und seitdem hier in der selben Wohnung lebt. Ihre Kinder sind in Bayern, "ich will ja niemand zur Last fallen". Obwohl ihr Alltag nicht gerade sehr stressig sein kann, findet sie, dass die Zeit nur so dahin rase. Mag sein, dass die Wochen schnell rum gehen, aber in der Rückschau komme ich mir vor, als wäre ich schon eine Ewigkeit hier.
Das Spannendste hier ist eigentlich immer die Mittagspause. War am Freitag beim Asiaten-Imbiss mit zwei Vietnamesen hinterm Tresen, die generisches Asia-Essen *und* Döner im Angebot haben. Das ganze in 'nem schönen Jugendstil-Restaurant. Essen war okay, dafür riecht meine Jack jetzt noch nach Bratfett.
Heute beim Spazierengehen und anschließender Überlandfahrt durch die Dübener Heide habe ich zum ersten Mal im Osten ein Neubaugebiet (in Bad Schmiedeberg) gesehen, wie es sie in der Heilbronner Gegend in jedem Dorf gibt. Außerdem konnte ich mich von der Existenz eines speziellen Ost-Phänomens überzeugen: Die vom Land oder Bund unterhaltenen Straßen sind prima (besser als in der Heilbronner Gegend!), an den Ortsschildern ist aber schnell Schluss mit der Pracht, wildes Gehoppel über DDR-Betonplatten geht los. Das liegt wohl daran, dass die Kommunen die Kosten für den Straßenbau auf die Anlieger umlegen müssen, diese haben aber keine Kohle, da viele immer noch Schulden aus der Wendezeit für neue Dächer und Fenster abzahlen. So hat mir eine Mitarbeiterin der Stadt berichtet.
Das Schlimmste für die Generation 50+ hier sei, dass deren gesamtes Lebenswerk zu DDR-Zeiten überhaupt keine Anerkennung findet - obwohl damals auch jeder im Rahmen seiner Möglichkeiten das beste geleistet habe. Das erklärt einiges von der resignierten Grundhaltung, die speziell bei Älteren zu finden ist.
Anderes Gespräch mit einer alten Frau, die 1945 aus Schlesien geflohen ist und seitdem hier in der selben Wohnung lebt. Ihre Kinder sind in Bayern, "ich will ja niemand zur Last fallen". Obwohl ihr Alltag nicht gerade sehr stressig sein kann, findet sie, dass die Zeit nur so dahin rase. Mag sein, dass die Wochen schnell rum gehen, aber in der Rückschau komme ich mir vor, als wäre ich schon eine Ewigkeit hier.
Dienstag, 10. Februar 2009
Tag 13: 10.2.2009, Der Wegzug
Hatte (beruflich, nicht privat!) mit einer Standesbeamtin zu tun. Zu DDR-Zeiten wurden auf dem Standesamt in Wittenberg jährlich 500-600 Ehen geschlossen. Jetzt schwankt die Zahl um die 250, wobei darunter noch einige von auswärts sind (auch Ex-Wittenberger, die bloß zur Hochzeit zurückkehren). "Ja, so macht sich der Wegzug der jungen Leute bemerkbar", sagte sie in schönem Beamtendeutsch.
Tag 13: 10.2.2009, Die schönen Seiten
Wirklich eine sehr nette Ecke ist Wörlitz mit dem Park drumherum. Die Landschaft erinnert mich total an England, der Park kann es durchaus mit der angelsächsischen Konkurrenz aufnehmen. War am Wochenende natürlich wenig los bei dem Mistwetter. Auch in der Stadt ist total tote Hose: Auf dem Arbeitsweg morgens und abends kann ich in vier von fünf Fällen ohne anzuhalten über Hautpverkehrsstraßen latschen, durch die leeren Gassen pfeift der Wind. Auch sämtliche Veranstaltungskalender etc. geben nichts her. Für den Journalisten natürlich Saure-Gurken-Zeit. Aber im Sommer soll dafür hier ja um so mehr los sein.
Samstag, 7. Februar 2009
Tag 9: 7.2.2009, Vor der Wende war alles besser...
Am Donnerstag war ein Politiker in der Redaktion zu Besuch. Er zitierte eine Umfrage, nach der mehr als 50 Prozent der Menschen in den neuen Bundesländern sagen, vor der Wende sei es Ihnen besser gegangen.
Jetzt macht aber mal eine Umfrage unter Westdeutschen, ob es ihnen heute besser geht als vor 20 Jahren. Ich wette, das Ergebnis wäre ähnlich: Früher war alles besser! Zumal die Reallöhne in Ost und West seit Jahren sinken.
Da Glück immer eine relative Sache ist, werde ich allen jammernden Ossis künftig entgegnen: Freut euch, die Wessis sind auch am Jammern.
Jetzt macht aber mal eine Umfrage unter Westdeutschen, ob es ihnen heute besser geht als vor 20 Jahren. Ich wette, das Ergebnis wäre ähnlich: Früher war alles besser! Zumal die Reallöhne in Ost und West seit Jahren sinken.
Da Glück immer eine relative Sache ist, werde ich allen jammernden Ossis künftig entgegnen: Freut euch, die Wessis sind auch am Jammern.
Tag 9: 7.2.2009, Einöde
Wer die totale Einöde erleben will, der fahre an einem trüben Februartag über die Landstraßen zwischen Delitzsch und Leipzig. Endlose, topfebene Äcker, die irgendwann im Nebel verschwinden. Respekt vor den Leuten, die dort auf dem Land wohnen und sich im Winter nicht die Kugel geben.
Donnerstag, 5. Februar 2009
Tag 7: 5.2.2009 (2), Was Hänschen nicht lernt...
Gestern erzählte mir ein Tierpfleger im Tierpark, dass die Nachzucht seiner Krallenaffen dann am besten klappt, wenn die Tiere selbst in der Familie miterlebt und -gemacht haben, wie kleine Geschwister von den Eltern großgezogen werden. Ist das nicht der Fall, beißen die Tiere schon mal ihre neugeborenen Kinder tot.
Heute höre ich, dass viele Kinder und Jugendliche, die in einer sozialen Einrichtung bei Wittenberg Arge-Maßnahmen besuchen, bei ihren Eltern nie erlebt haben, dass diese je zur Arbeit gehen. Manche Teenager kennen weder einen regelmäßigen Tagesablauf noch - was ich überhaupt nicht verstehe - regelmäßige Mahlzeiten.
Heute höre ich, dass viele Kinder und Jugendliche, die in einer sozialen Einrichtung bei Wittenberg Arge-Maßnahmen besuchen, bei ihren Eltern nie erlebt haben, dass diese je zur Arbeit gehen. Manche Teenager kennen weder einen regelmäßigen Tagesablauf noch - was ich überhaupt nicht verstehe - regelmäßige Mahlzeiten.
Tag 7: 5.2.2009, Was verloren geht
Heute gutes Gespräch mit einem Menschen, der kirchlich engagiert ist und auch während der friedlichen Revolution in der DDR aktiv war. Er berichtet darüber, wie schwierig es heute für ihn sei, speziell jungen Menschen zu vermitteln, wie die Dinge damals liefen. In der schwierigen Lebenssituation zu DDR-Zeiten hätten die Menschen im Alltag zwangsläufig enger zusammenhalten müssen; das habe auch während der Revolution dazu beigetragen, dass alles friedlich geblieben ist. Heute kommt es ihm fast surreal vor, wenn er Besuchern an einem Platz in Wittenberg erzählt: "Und hier sind wir mit unseren Kerzen gestanden..."
Weiteres Beispiel für die Wir-machen-alles-DDR-mäßige-platt-Mentalität: Am Stadteingang neben der Schlosskirche stand früher ein Sowjet-Panzer, Kanone westwärts gerichtet. Auf dem Platz davor wurden viele militärische und sozialistische Rituale abgehalten. Während mein Gesprächspartner und andere sich dafür einsetzten, dass zumindest der Sockel erhalten bleibt und der Panzer durch ein Kunstwerk ersetzt wird, wurde natürlich alles weggerissen und schön begrünt. Wenn nichts von dem erhalten bleibt, was überwunden wurde, wie soll die Erinnerung an die Überwindung erhalten bleiben? Der irrsinnige Größenwahn des NS-Regimes war mir nirgends so deutlich geworden wie etwa auf dem Reichstagsgelände in Nürnberg oder in der gruseligen Thing-Stätte in Heidelberg.
Weiteres Beispiel für die Wir-machen-alles-DDR-mäßige-platt-Mentalität: Am Stadteingang neben der Schlosskirche stand früher ein Sowjet-Panzer, Kanone westwärts gerichtet. Auf dem Platz davor wurden viele militärische und sozialistische Rituale abgehalten. Während mein Gesprächspartner und andere sich dafür einsetzten, dass zumindest der Sockel erhalten bleibt und der Panzer durch ein Kunstwerk ersetzt wird, wurde natürlich alles weggerissen und schön begrünt. Wenn nichts von dem erhalten bleibt, was überwunden wurde, wie soll die Erinnerung an die Überwindung erhalten bleiben? Der irrsinnige Größenwahn des NS-Regimes war mir nirgends so deutlich geworden wie etwa auf dem Reichstagsgelände in Nürnberg oder in der gruseligen Thing-Stätte in Heidelberg.
Mittwoch, 4. Februar 2009
Tag 6: 4.2.2009 (2), Kollektive Kino-Begeisterung
Alle Lehrer Wittenbergs und alle übrigen sozial engagierten oder linksalternativen Menschen waren heute Abend im Studiokino im Kultur- und Tagungszentrum (KTC). Ich mitten drin, teils etwas schräg beäugt wegen meiner Frisur-und-schwarzer-Fleece-Pulli-Problematik. Muss mir echt noch so 'n doofes Ethno-Glatzen-Versteckerle kaufen.
(Klammer auf) Das KTC wurde zu DDR-Zeiten gebaut, liegt günstig, hat viele Parkplätze und viel Platz. Diesem Bau geht es aber nicht viel anders als Erichs Lampenladen, oder Palazzo Prozzo, oder Palast der Republik in Berlin: Da zu DDR-Zeiten gebaut, läuft manch politisch Verantwortlichem schon der Geifer, wenn er bloß den Namen hört. Alles, was baulich an DDR erinnert, muss weg! Also lässt man das Ding vergammeln und gibt viel nicht vorhandenes Geld für einen unpraktischeren Neubau aus. (Klammer zu)
Lange Schlange vor dem eng bestuhlten Kleinen Saal, richtiges Real-existierender-Sozialismus-Feeling in dem ollen 70er-Jahre-Bau. Generalstabsmäßig und mit viel Hallo werden die Plätze befüllt, dann rattert der Projektor laut los. "Willkommen bei den Sch'tis" ist ja wirklich ganz witzig, aber dass der ganze Saal brüllt vor Lachen, hatte ich zum letzten Mal bei der Premiere der "Nackten Kanone" erlebt. Wobei ich den in Norddeutschland sah. Fazit: Im Norden und im Osten wird im Kino mehr gelacht als im Süden.
Jetzt noch eine nachdenkliche Geschichte: Janusz Korczak
(Klammer auf) Das KTC wurde zu DDR-Zeiten gebaut, liegt günstig, hat viele Parkplätze und viel Platz. Diesem Bau geht es aber nicht viel anders als Erichs Lampenladen, oder Palazzo Prozzo, oder Palast der Republik in Berlin: Da zu DDR-Zeiten gebaut, läuft manch politisch Verantwortlichem schon der Geifer, wenn er bloß den Namen hört. Alles, was baulich an DDR erinnert, muss weg! Also lässt man das Ding vergammeln und gibt viel nicht vorhandenes Geld für einen unpraktischeren Neubau aus. (Klammer zu)
Lange Schlange vor dem eng bestuhlten Kleinen Saal, richtiges Real-existierender-Sozialismus-Feeling in dem ollen 70er-Jahre-Bau. Generalstabsmäßig und mit viel Hallo werden die Plätze befüllt, dann rattert der Projektor laut los. "Willkommen bei den Sch'tis" ist ja wirklich ganz witzig, aber dass der ganze Saal brüllt vor Lachen, hatte ich zum letzten Mal bei der Premiere der "Nackten Kanone" erlebt. Wobei ich den in Norddeutschland sah. Fazit: Im Norden und im Osten wird im Kino mehr gelacht als im Süden.
Jetzt noch eine nachdenkliche Geschichte: Janusz Korczak
Tag 6: 4.2.2009 (1), Kulinarisches
Gestern Mittag in der "Suppéria" exquisite Suppe gelöffelt. Entgegen jeglicher Klischees stand in dieser Suppen-Bar keine Soljanka auf der Karte (die übrigens in meiner Ossi-Spezialitäten-Probier-Prioritäts-Liste höher steht als Thüringer Bratwurst). Heute Mittag im Döner-Laden. Selbst dort steigt der Anteil der MMM (jaja, Menschen mit Migrationshintergrund) nicht über 50%. Werde etwas wehmütig, da ich meinen Döner nicht "mit alles und mit viel Scharf" bestellen kann - die Bedienung ist 'ne Deutsche. Der Döner selbst vorzüglich - mit Rotkraut und rötlicher Soße, nur nicht viel genug Scharf drauf.
Montag, 2. Februar 2009
Tag 4: 2.2.2009, Erster Arbeitstag
Erste Arbeitstage können schon mal etwas chaotisch sein. Soviel dazu. Späte Mittagspause in der "Kleinsten Kantine der Stadt". Zwei Muddis hinterm Tresen brutzeln flugs ein lecker Schnitzel mit Spiegelei und Bratkartoffeln. Drei Typen, zwei mit geröteten Augen und einer mit komplett roter Birne, zischen Nachmittagsbierchen. Der eine mit den geröteten Augen beschwert sich, dass für Hartz-IV-Empfänger bei der Steuererklärung immer nischd rauskommt. Der andere mit geröteten Augen, ein junger Kerl, zusammen mit Kollege Rotkopf bei irgendeiner Baufirma, erkundigt sich bei den Tresenmuddis, ob denn ihre Töchter nichts für ihn wären. Die rote Birne sagt nichts, lacht sich einen und wird immer röter. Merke: Endlich meine Einbauküche besorgen.
Sonntag, 1. Februar 2009
Tag 3 (2): 1.2.2009, Links oder Rechts?
Heute nachmittag im Internetcafé zum ersten Mal Rechte gesehen. Ein etwas älterer Typ mit etwa meiner Frisur, schwarze Jacke, einer Bomberjacke nicht unähnlich. Dabei ein jüngerer im Hip-Hop-Stil mit einer norwegischen Flagge und irgendeiner nordischen Aufschrift drauf. Haben sich mit anderen, ganz normal aussehenden Gästen und einem, den ich eher für linksalternativ gehalten hätte, über Fußball unterhalten. Tja, was machste da? Aufstehen, sagen "Iieh, Ihr seid ja rechts!" und gehen? Oder habe ich mich nur getäuscht? Ich setze mir Kopfhörer auf und höre byte FM. Überlege mir, ob ich weiterhin problemlos Schwarz tragen kann. Ob ich mir so eine dämliche bunte Ethno-Mütze aufsetze.
Tag 3: 1. Februar 2009, Was hier schlechter ist
1) Im Kino gibt's keine englischsprachigen Filme
2) Das Mineralwaser enthält kaum Calcium und Magnesium, kriege jetzt schon Kopfschmerzen, wenn ich an den Sommer denke
3) Das Essen in Restaurants ist tendenziell etwas fader
4) Bisher nur schlechtes Wetter
5) Die Ampeln sind viel zu lange rot für den kargen Verkehr hier
2) Das Mineralwaser enthält kaum Calcium und Magnesium, kriege jetzt schon Kopfschmerzen, wenn ich an den Sommer denke
3) Das Essen in Restaurants ist tendenziell etwas fader
4) Bisher nur schlechtes Wetter
5) Die Ampeln sind viel zu lange rot für den kargen Verkehr hier
Tag 2: 31. Januar 2009, Angekommen
Hurra, hier gibt es auch ein Kaufland! Viel los am Samstagvormittag. Im Vergleich zu Neckarsulm: Deutlich höherer Altersdurchschnitt. Abgesehen von dem türkischen Ramschhändler vor der Tür ist der Anteil der MMM (Menschen mit Migrationshintergrund) gleich Null. Alles geht irgendwie langsamer.
Schaffe es endlich, meinen neuen Massivholz-Schrank fertig aufzubauen. Stolz, obwohl die Türen etwas klemmen. Nachmittags ein Spaziergang durch die Stadt. Grauer Himmel, einzelne Flocken, kaum Menschen unterwegs. Abends ins drei Gehminuten entfernte Kino, „Benjamin Button“ angucken.
Schaffe es endlich, meinen neuen Massivholz-Schrank fertig aufzubauen. Stolz, obwohl die Türen etwas klemmen. Nachmittags ein Spaziergang durch die Stadt. Grauer Himmel, einzelne Flocken, kaum Menschen unterwegs. Abends ins drei Gehminuten entfernte Kino, „Benjamin Button“ angucken.
Tag 1: 30. Januar 2009, Einrichten
Ich kämpfe mich durch einen Riesenberg Kartons und Möbelteile, während mir draußen ordnungsgemäß der Zettel für die große Hausordnung an die Tür gehängt wird. Letztlich obsiegt dann doch die Einsicht, dass es vielleicht ein bisschen viel verlangt wäre, neben dem Einzug her noch den Gehweg zu fegen.
Komplett neue Erfahrung im Baumarkt: Es gibt tatsächlich Verkäufer, die ansprechbar sind und sich bemühen, zu helfen. Mittagessen in der Bäckerei im Baumarkt-Foyer: Merkwürdig, die Menschen - auch Fremde - sprechen miteinander, die Verkäufern fragt freundlich, wie das Fritteusen-Schnitzel geschmeckt hat.
Komplett neue Erfahrung im Baumarkt: Es gibt tatsächlich Verkäufer, die ansprechbar sind und sich bemühen, zu helfen. Mittagessen in der Bäckerei im Baumarkt-Foyer: Merkwürdig, die Menschen - auch Fremde - sprechen miteinander, die Verkäufern fragt freundlich, wie das Fritteusen-Schnitzel geschmeckt hat.
Tag 0: 29. Januar 2009, Umzug
Wohungen, auch Traumwohnungen, gibt es im Überfluss. Mieten sind etwas günstiger als in Heilbronn, die Kaufpreise schlicht lachhaft. Hier ist es halt unsicher, ob die Wohnung je wieder zu verkaufen oder zu vermieten ist. Bin zwei Mal an meinem freien Tag zum Wohnungen gucken von Heilbronn nach Wittenberg gefahren. Schließlich ganz nette Dreizimmerwohnung in Altstadtnähe gefunden.
Der Umzug ist Horror, trotz kleiner Wohnung (alles passt in einen 3,5-Tonner und meinen Kleinwagen). Während der Kisten- und Möbelschlepperei legt zuerst eine Nachbarin eine Gummimatte in die Tür, damit es nicht so knallt. Kurz darauf will eine andere die Matte wieder wegnehmen ("Sie können doch den Schnapper reinmachen, wa!" - "Dann knallt es aber jedes Mal." - "Det knallt doch nicht.") Schließlich bleibt die Matte liegen. Eine Viertelstunde will wieder eine andere Nachbarin die Anti-Knall-Matte wegnehmen, gleiche Diskussion.
Bei den Küchenanschlüssen blicke ich nicht durch. Nachfragen bei einem älteren Herren sowie einer jungen Frau aus dem gleichen Haus ernten ähnliche Antworten - darum müsse sich die Wohungsbaugesellschaft kümmern.
Quatsche mich fast in der Autovermietung fest. Einer kennt meine künftige Chefin, der andere ist voller Eifer bei der Sache, "Wa, ist doch genau fünf!" sagt er, während er mir seine Uhr unter die Nase hält, die zehn nach fünf anzeigt. Beide scheinen fast stolz, dass ein Wessi in ihre schöne Stadt zieht.
Der Umzug ist Horror, trotz kleiner Wohnung (alles passt in einen 3,5-Tonner und meinen Kleinwagen). Während der Kisten- und Möbelschlepperei legt zuerst eine Nachbarin eine Gummimatte in die Tür, damit es nicht so knallt. Kurz darauf will eine andere die Matte wieder wegnehmen ("Sie können doch den Schnapper reinmachen, wa!" - "Dann knallt es aber jedes Mal." - "Det knallt doch nicht.") Schließlich bleibt die Matte liegen. Eine Viertelstunde will wieder eine andere Nachbarin die Anti-Knall-Matte wegnehmen, gleiche Diskussion.
Bei den Küchenanschlüssen blicke ich nicht durch. Nachfragen bei einem älteren Herren sowie einer jungen Frau aus dem gleichen Haus ernten ähnliche Antworten - darum müsse sich die Wohungsbaugesellschaft kümmern.
Quatsche mich fast in der Autovermietung fest. Einer kennt meine künftige Chefin, der andere ist voller Eifer bei der Sache, "Wa, ist doch genau fünf!" sagt er, während er mir seine Uhr unter die Nase hält, die zehn nach fünf anzeigt. Beide scheinen fast stolz, dass ein Wessi in ihre schöne Stadt zieht.
Die Ausgangslage
Wer versteht das schon? Da gibt einer seinen sicheren, gutbezahlten Job in Heilbronn, Baden-Württemberg, auf und geht nach Wittenberg, Sachsen-Anhalt. Ich zweifle selbst an meinem Verstand, als ich zum Vorstellungsgespräch unterwegs bin und nach viereinhalb Stunden auf der A6 und A9 durch die Gewerbegebiets-Brachen von Coswig und diese Dörfer fahre, die von einer ganz eigenartigen Mischung aus totalem Verfall und liebevoller Restaurierung geprägt sind. Dann geht es entlang einer riesigen Chemiefabrik, schließlich taucht der trutzige Turm der Wittenberger Schlosskirche auf. Rechts Parkanlage, links schöne Gründerzeit-Villen. Aha, ist doch aus der Nähe netter als aus der Ferne.
Nach langem Überlegen siegt die Abenteuerlust in mir. Hoffentlich ist es tatsächlich so, dass die Talsohle im Osten schon erreicht oder durchschritten ist. Und die groß angekündigte allgemeine Krise muss doch für die Menschen hier ein Klacks sein - wenn es stimmt, dass Ostdeutschland bereits seit Jahrzehnten in der Krise ist, teils abgemildert, teils verschlimmert durch die Wiedervereinigung.
Nach langem Überlegen siegt die Abenteuerlust in mir. Hoffentlich ist es tatsächlich so, dass die Talsohle im Osten schon erreicht oder durchschritten ist. Und die groß angekündigte allgemeine Krise muss doch für die Menschen hier ein Klacks sein - wenn es stimmt, dass Ostdeutschland bereits seit Jahrzehnten in der Krise ist, teils abgemildert, teils verschlimmert durch die Wiedervereinigung.
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